Es gibt wahrhaftig vielerlei Vorbehalte, die man vorbringen kann und muss gegen eine einseitige Überbewertung Hildegards als „deutscher Seherin“, als Naturkundiger, als Feministin, als Dichterin, als Musikerin, als geschichtsbestimmender Gestalt, als Autorität in Glaubensfragen und nicht zuletzt als Leitbild aller möglichen Esoteriken. Aber allein die Vielzahl der Bedeutungen und der Beziehungen dieser bemerkenswerten Frau macht klar, dass es lohnt, sich mit ihrer Gestalt zu beschäftigen. Hier soll dies freilich unter einem sehr engen Blickwinkel geschehen, dem der Genealogie.
Wie es in ihrer Zeit üblich war, wurde Hildegards Stellung in ihrer Gesellschaft durch ihre Geburt und ihre Verwandtschaftsbeziehungen entscheidend mitbestimmt. Gerade deshalb fällt auf, dass sie nie Personen als Verwandte anredet oder bezeichnet, selbst solche, die es wohl waren. Das erschwert die Forschung und wird zur Erklärung reizen.
Vielleicht besteht der Wert dieses Beitrags aber eher in dem, was er an Nebenerkenntnissen zu den Führungsschichten am Mittelrhein und zur Bewertung der Quellen beiträgt. Es fiel mir angesichts der Verweigerung Hildegards schwer, mich nicht noch mehr in die frühen SPONHEIMER, die MÖRLHEIMER, die MERXHEIMER oder in die Trithemius-Diskussion zu verlieren. Lohnend wäre das alles gewesen, aber das Thema war anders gestellt. Immerhin konnten hier einige lieb gewordenen Ansichten korrigiert werden.